News IIX

10. Juli / Ju

Wir sind wieder auf dem Rückweg den Fluss hinunter, nachdem wir drei Tage in Georgetown, oder Jan Jan Bureh in ihrer Sprache, verbracht haben. Hier hatte es mir nicht so sehr gefallen, denn die jungen Burschen und auch viele Kinder waren recht aufsässig und frech in ihren Forderungen. Man merkte gut, dass hier oben an dieser Schnittstelle und Kreuzpunkt über den Gambiafluss wieder sehr viel mehr Touristen verkehren als auf den 150 km Fluss zwischen der Mündung in Banjul und hier. Für Segler ist es schwierig oder unmöglich noch weiter aufwärts zu fahren, da eine unmarkierte Starkstromleitung über den Fluss hängt, deren Höhe schwierig abschätzbar ist. Die einzigen zwei Boote, die im Moment ebenfalls auf dem Gambia verkehren, waren hier oben an Anker: ein britischer und australischer Catamaran. Diese Flussfahrt wird nicht oft gemacht, was aber schade ist, denn die Landschaft ändert sich doch stark und wird gegen oben viel interessanter, da der eintönige Mangrovenbewuchs Palmen, riesig grossen Bäumen, Reisfeldern und Schilf weicht. Dazwischen sind immer wieder Dörfer, kleine Siedlungen oder eine Fischerhütte auszumachen. Der Fluss verliert an Salzgehalt (Mangroven = salzig) und Landwirtschaft wird dank des ausreichenden Süsswassers gut möglich. Viel an Gemüse zu kaufen gibt es in den dörflichen Minimärkten allerdings nicht, die Leute bauen wahrscheinlich nur für sich selber an. Auf Besucher, die sich selber verpflegen, ist hier niemand eingestellt. Aber wir verhungern nicht, Brot ist praktisch überall verfügbar, Mangos ebenfalls und mit dem andern Frischzeug müssen wir halt haushalten, bzw. wieder auf Büchsen zurückgreifen. Zu Thomas' grossem Bedauern gibt es hier oben logischerweise auch keine Shrimps mehr, dafür können wir im Fluss baden und uns waschen ohne mit Süsswasser aus unserem Tank nachzuspülen. Und wir nähern uns nun ja schon wieder den Shrimps und anderen Fischen. Georgetown liegt auf einer recht grossen Insel mitten im Fluss, auf der Mac Carthy's Island. George nach dem britischen König, Mac Carthy nach einem Gouverneur, beide 19. Jahrhundert, und Jan Jan Bureh bedeutet etwas mit Sklaven. Wahrscheinlich war diese Insel in den unrühmlichen Zeiten ein Depot für Sklaven, die im Inland eingefangen, den Gambia hinunter und über das Meer verfrachtet wurden. Sicher war sie einmal die Hauptstadt Gambias. Jedenfalls verkehren aufgrund der Insellage zwei Fähren. Dieser Betrieb war interessant zuzuschauen. Das Nordufer, an dem wir lagen, verfügt über eine recht moderne, die nonstop verkehrte. Mal vollbeladen mit Autos und Buschtaxis, mal sogar ein Krankenwagen, und Fussgängern, aber auch mal nur mit drei Leuten und einem Velo. Sie hat allerdings nur Platz für zwei Fahrzeuge. Am Südufer lag der alte Schrotthaufen, jedenfalls für mein Laienauge, deren Manövern wir auch mal eine Weile zugeschaut hatten.
Unsere Besuche in den kleineren Orten wie Kuntaur, Ka-ur oder Kudang haben mir besser gefallen. Man wird zwar auch angebettelt (Fussball kaufen, Schreibzeug, Geld, Süssigkeiten), aber weniger aufdringlich. Mit scheint sowieso, dass dies häufig einfach das Sprüchlein ist, das als erstes angebracht werden muss, aber die Ablehnung wird sofort akzeptiert. Dann sind die kleineren Kinder sehr neugierig und oft anhänglich. Sie schreien schon von weitem "toubab, toubab", kommen hergelaufen, wollen uns berühren und begleiten uns überallhin - ausser ein Erwachsener weist sie zurecht. Einmal hatte ich an jeder Hand vier Kinder. Für zwei hätte ich noch Platz gehabt, aber wahrscheinlich waren das die beiden Daumen, die sind nicht so gut greifbar. Grüssen mit Hand schütteln und Abklatschen ist für alle ein grosser Spass. Ich hatte wirklich den Eindruck, es sei ungekünstelte Freude über die Abwechslung und fühlte mich nicht 'komisch' im Sinn von weiss/schwarz und oben/unten. Gestern abend in dem Fischerdorf wollten sich alle fotografieren lassen und der Lärm war ohrenbetäubend, als ich ihnen das Resultat auf dem Display zeigte. In so Momenten muss ich allerdings die Kamera gut festhalten und aufpassen, dass nicht alle ins Objektiv greifen. Sie waren so begeistert, dass ich zum alten Trick griff und nur noch so tat als ob. Die leere Batterie hat mich dann aus dem Dilemma befreit.
Nicht nur die Begegnungen mit den Kindern sind schön, der Fluss ist auch ein Vogelparadies. Das abendliche und frühmorgendliche Konzert ist jeweils wunderbar. Die meisten Vogelnamen kenne ich natürlich auch nicht, es gab aber schon einige Kingfisher (Eisvögel) zu sehen. Das gewaltige Wetterleuchten fast jeden Abend, wenn die Tageshitze noch über dem erwärmten Land ist und es aufheizt, ist auch ein Spektakel. Taghell leuchtet es und zündet ohne Unterbruch. Regenmässig gibt es meist nur 5 Tropfen; da sind wir sehr froh, denn müssten wir die Luken zubehalten, würden wir wohl im Schweiss ertrinken, bzw. gefühlsmässig ersticken. Gestern haben wir vor einem Baum voller Paviane geankert, das war ein Lärmen, Kreischen, Hinterherjagen, uns Beobachten etc. Diese und die Hippos sind von blossem Auge als Bewegung oder Fleck erkennbar, mit dem starken Fernglas aber natürlich gut zu beobachten. Die Flusspferde machen ihr ganz eigenes Geräusch. Beschreibbar vielleicht als etwas zwischen Robbe, Kuh und Hirsch; aber tief und lautstark. Krokodile allerdings haben wir nicht gesehen. Ob es noch welche gibt?
 

5. Juli / Th

Nun haben wir beinahe George Town erreicht, das Ziel unserer Flussreise. Wir ankern am Ende von Baboon Island und morgen früh fahren wir noch die letzten gut 10 Meilen. Wir sind schon über 200 km von der Flussmündung entfernt, aber Ebbe und Flut sind hier immer noch deutlich spürbar. Konkret heisst das, dass wir bei einlaufendem Wasser flussaufwärts fahren und dabei die Strömung mit uns haben. Da wir uns ja auch fortbewegen, dauert es ca. 10 Stunden, bis die Strömungsrichtung ändert. So konnten wir heute morgen ein Stück fahren und dann ab 17 Uhr wieder (wenn man an Ort bleibt, ändert die Richtung nach 6 Stunden).
Interessant ist auch, dass durch das einlaufende Wasser vom Meer her der Fluss bis weit hinauf salzig ist. Das bedeutet, dass das Wasser nicht zur Bewässerung verwendet werden kann. An den Ufern wachsen nur Mangroven und im Wasser hat es Meerfische und Shrimps. Seit gestern ist das Wasser jetzt süss oder nur noch minim salzig. Dadurch können die Reisfelder bewässert werden und am Ufer hat es Schilf und Palmen. Die Flusslandschaft scheint über weite Strecken völlig unberührt zu sein. Es hat sehr viele Vögel und heute haben wir ein paar Mal Flusspferde gesehen. Auch in der Nähe unseres Ankerplatzes hat es eine ganze Horde davon.
Überall, wo wir an Land gehen, sind wir sofort von Kindern umringt. In den Dörfern gibt es sehr wenig zu kaufen, es hat nur ein paar wenige Autos. Aber überall hat es Handy-Empfang und zwar von drei Anbietern. Das scheint hier ein Riesengeschäft zu sein. Überall gibt es farbige Werbetafeln mit den neusten Angeboten, Wettbewerben, Autos zu gewinnen, ... Auch die entsprechenden Prepaidkarten kann man überall kaufen. Wo die ganze Kohle hinfliesst, steht auf einem andern Blatt geschrieben.
 

3. Juli / Ju

Am liebsten würde ich hier ein Fotostudio für die Frauen auftun. Sie sind mit den bunt gemusterten, farbenprächtigen Kleidern (Bluse mit Wickelrock oder Hose, dazu das verknotete Tuch um den Kopf, alles aus demselben Stoff) wunderschön und sauber gekleidet. Zum grossen Teil sind es die traditionellen westafrikanischen Bekleidungen aus Baumwollstoff, zum andern aber auch die aus China/Indien stammenden Polyestergewänder, die glänzen und mit Pailletten verziert sind, Ton in Ton, in der Regel passen auch die Schlarpen (Sandalen) farblich völlig dazu. Keine ohne schöne Ohrringe, Kette und Armreifen.Für mein Auge, das ja bekanntlich gerne bunt sieht, eine wahre Freude. Männer tragen weniger das traditionelle "Pijama" (weite Hose und langes, weites Hemd, auch aus demselben bunten Stoff), einige mehr die muslimische Variante und Kinder oder arbeitende Burschen sind vor allem in zerlöcherten, schmutzigen, wild zusammengewürfelten Shirts und Hosen anzutreffen. Einige aber auch in gefakten Designerlabels - von den Jeans bis zu den Shirts. Uhr und Handy tragen praktisch alle. Nur wenige Frauen tragen ein farbiges oder uni Kopftuch, welches die Haare ganz bedeckt, aber das Gesicht ganz freilässt. Und nur eine einzige Frau mit schwarzer Burka, also nur dem Augenschlitz offen, und schwarzen Söcklein habe ich bis anhin gesehen. Überhaupt wird hier in Gambia ein sehr entspannter Islam gelebt. Es hat sehr viele kleinere und eher baufällige, jedenfalls nicht prächtige Moscheen, den Muezzin hört man überall rufen, aber zum Gebet geht offenbar nur, wer gerade Zeit hat und nicht anderweitig mit Geld verdienen beschäftigt ist. Das Freitagsgebet wird etwas häufiger wahrgenommen, da sind im Fall auch die Bankautomaten ausser Betrieb, entweder wird  kurz vorher massiv Geld bezogen oder am Freitagnachmittag wird nicht mehr aufgefüllt. Das öffentliche Leben steht aber nicht still, vielleicht verlangsamt es sich etwas. Im Gegensatz dazu war ja in Jemen und Oman mehr oder weniger ab Donnerstagnachmittag alles geschlossen. Man sieht ganz viele nackte Frauenschultern, stillende Mütter auch, die Mädels sind durchaus keck gekleidet und in den Buschtaxis sitzen sowieso weibliches und männliches, schwarzes und weisses Fleisch eng und schwitzend nebeneinander. Körperkontakt und zum Teil Einsichten unvermeidlich -  keine Befangenheit, kein Problem. In den Klassen und auf dem Hof lernen und spielen Buben und Mädchen zusammen. Es gibt keine geschlechtergetrennten Restaurants oder i-cafés, die Frauen sind allein unterwegs und reisen alleine. Die Namen sind zum grössten Teil arabisch, in den Schulen wird auch arabisch gelernt, aber mir scheint es wie gesagt weit entfernt von muslimischer Strenge, geschweige denn Fanatismus. Die Männer haben fast ausschliesslich nur eine Frau und viele Kinder. Sicher mehr aus ökonomischen Gründen, aber immerhin. Und ich bin echt froh, auch so eine Variante selber zu erleben, nicht nur all die Schauermärchen in den Medien zu hören oder in den eigenen Schulklassen und im Dorf die "enge" Version zu sehen. So eine Form von Islam müsste für Europa auch keine Bedrohung sein.
Statt der erbettelten Süssigkeiten haben wir bei einem Ausflug mit der Pirogue in ein nahe gelegenes Dorf bei Lamin den Kindern einen Fussball gekauft, selber gekauft, selber gegeben - grosses Hallo und Freude - dazu auch einen Hüter des Balles bestimmen lassen. Ich betone das so, weil wir uns nur einen Tag später an einem andern Ort, mehr im Touri-Gebiet, grossartig übers Ohr haben hauen lassen. Der raffiniert gute Mann hatte eine wirklich bewundernswerte Show von mehr als zwei Stunden geboten, die Inszenierung mit Gratulanten zu seiner Hochzeit (Vorwand um ihn und seine Frischvermählte zuhause zu besuchen) und den Waisenkindern unter Obhut seines Imam-Grossvaters und und und wäre oscarwürdig. Jedenfalls kamen wir aus der Falle unseres Erachtens nicht mehr heraus, gekostet hat es uns 'einen Sack Reis für die Kinder', oder 40 Stutz. Von wegen wir seien nicht mehr voll die Touristen, ha! Einiges haben wir als Lehre gezogen, ein Erlebnis war es auch - gefuchst hat es uns aber doch auch. Darunter zu leiden hatten dann die mangels Touristen in der Nebensaison  aufdringlichen Strassenhändler in der Casamance: da waren wir dann ziemlich kurz angebunden bis unhöflich, einem ganz lästigen Typen habe ich alle verfübaren französischen f-Wörter um die Ohren gehauen ... es hatte genützt.
Mittlerweile haben wir jetzt die Regenzeit, also den Regen, durchaus erlebt. In Ziguinchor, dem grössten Ort der Casamance im Südsenegal, hat es jeden Tag oder Nacht mindestens einmal wie aus Kübeln geleert. Die Engländer sagen "it's raining cats and dogs" - es regnet Hunde und Katzen, und die müssten es ja wissen. Wir hatten jedes Mal Glück und waren nicht gerade unterwegs, waren auch ohne Schirm oder Regenjacken auf Reisen ... Aber die Strassen sind dementsprechend schlammig und schwierig begeh- oder befahrbar. Auch die Wahoo habe in diesen 4 Tagen heftige Böen und Regen erlebt, da ist es dann an Land in einem Hotelzimmer oder an einem Restauranttisch doch feiner und trockener. Die kurze Auszeit hat uns gut getan. Leider ist der erwünschte Erholungseffekt wegen Klaus' Organisations- und Planungsdefiziten schon wieder übel zusammengeschmolzen. Wir mussten die Wahoo auf dem Landweg einholen und 'irgendwo' treffen. Wir haben es geschafft, hatten auch Glück dabei, aber auch einigen Ärger.
 

3. Juli / Th

So, nun fahren wir den Gambia River hinauf - mit Motor und Strömung. Zur Zeit sind wir zu fünft, Christoph, der Mechaniker und Susi, seine Frau sind auch noch an Bord. Nach der Reparatur des Motors machen sie jetzt auch noch ein wenig Ferien.
In der Zwischenzeit wissen wir auch, was den Motorschaden verursacht hat:
Bei der Generalüberholung in Südafrika muss eine Unterlagsscheibe in den Motor gefallen sein. Die lag wohl auf irgend einem kleinen Vorsprung und ist dann irgendwann heruntergefallen, genau zwischen Kettenrad und Kette. Dort wurde sie dann eingeklemmt und zerquetscht und in der Folge ist die Kette gerissen. Dadurch stand dann die Nockenwelle still und die Ventile wurden nicht mehr gesteuert. Bei einem Zylinder war eines der Ventile offen und als der Kolben heraufkam, hat er gegen das Ventil geschlagen und das Ventil hat die Kraft des Kolbens auf die Nockenwelle weitergeleitet, welche dadruch gebrochen ist. Murphy lässt mal wieder grüssen.
Julia und ich waren in der Zwischenzeit für ein paar Tage in der Casamance, in Ziguinchor. Eigentlich wollten wir auch mit dem Schiff dort vorbei, aber dann kam der Motorschaden dazwischen.
 

26. Juni / Ju

Da wir nun endlich wieder einigermassen Strom haben, kann ich auch wieder schreiben. Da hier eigentlich Regenzeit ist, ist es zwar oft bewölkt (= Sonnenkollektoren bringen nix) und es windet fast nicht (= Windgenerator bringt auch nix). Wir können also kaum genug Strom erzeugen für Kühlschrank, Batterieaufladegerätli und Wasserpumpe, geschweige denn den Computer. Nun hat Thomas aber mittels eines Autogenerators und unserem Tauchkompressor ein kleines (fossiles) Kraftwerk gebastelt, mit dem wir die Hauptbatterien des Schiffs wieder hochjagen können. So können wir wieder mailen, sogar fotölen, i-pod aufladen und dergleichen Luxussachen. A propos Regenzeit: wirklich geregnet hat bisher erst zweimal. Am Ankunftstag (wie üblich, es vermittelt  grad einen super ersten Eindruck) und einmal in der Nacht. Begleitet von starken Windböen prasselt dann der Regen und hinterlässt auf den unbefestigten Strassen Schlammseen und Bäche, die durch das Dorf laufen. Die Fahrzeuge sind bis hoch hinauf dreckverspritzt, sie schlängeln sich zwischen den am wenigsten tiefen Seen, das sind die mit dem roten Schlamm gefüllten Schlaglöcher, hindurch, mal rechts, mal links. Dazwischen suchen sich Velofahrer ihre Bahn - und die Frauen mit ihren doch fast bodenlangen Röcken bleiben wundersamerweise sauber!  Aber es gibt auch eine willkommene kurzzeitige Abkühlung und Erfrischung. Die Zahl der Moskitos wird leider auch verxfacht. Dafür stehen all die Mangobäume unter schwerer Last und wir geniessen täglich welche zum Frühstück. Die Baobabbäume sind grün und treiben Früchte (Affenbrot; Nahrung für die Affen und für die Menschen ergibt die zerstossene Frucht v.a. Juice und offenbar sogar auch Icecream), diverse Büsche und Bäume blühen farbenprächtig. A propos Moskitos und Malaria. Es ist eine völlige Illusion, sich möglichst nicht stechen zu lassen. Erstens haben wir nächtlich 2, 3 innerhalb des Netzes, die dann so gegen 3 Uhr morgens mit Taschenlampe aktiv gesucht und zerklatscht werden. Weiss der Teufel, wie die mmer da hinein gelangen. Nun haben wir Verbesserungen angebracht, die hoffentlich etwas bewirken. Anti-Brumm und diese Brennstäbchen halten vielleicht die ersten 20 Surriviecher ab, nicht aber die zweiten 20. Lange Bekleidung desgleichen. So verlassen wir uns im Endeffekt halt auf die Chemie, die wir zum Glück alle ohne Nebenwirkungen vertragen. Und es ist ja nicht jede Mücke auch Träger von Malariaerregern.
Einen Vorteil hat das längere Verbleiben an einem Ort allerdings schon: die Einheimischen kennen und grüssen dich langsam, wir sind nicht mehr nur "Toubabs" = weisse Touristen (für 1, 2 Wochen am Strand in Gambia), sondern sind nun zwar Weisse, aber auf Reisen und manchmal "halbe Gambier". Dies, weil ich langsam die Orientierung auf den Strassen habe, die Preise, das Palavern etc. besser kenne und wir uns demzufolge weniger wie Toubabs verhalten. Das braucht aber jeweils so seine 3-4 Tage, bis ich mich ein wenig zurecht finde. Die Gambier haben aber auch Freude, wenn wir sagen, wir seien für längere Zeit hier, nicht nur für 1, 2 Wochen :-))
Aber wieder zuhause, werde ich sicher die vielen selbstverständlichen Annehmlichkeiten (mindestens eine Weile) ganz anders und bewusster geniessen als bis anhin. Hier braucht alles unheimlich viel Energie undZeit (lange Wege, Fussmärsche, alles anschleppen, es ist schwül und heiss (heiss heisst alle Bekleidung nach 2 Minuten nass geschwitzt und weiss vom Salz), widersprüchliche Auskünfte). Auf der anderen Seite sind die Reaktionen von Kindern auf der Strasse und in der Schule, die wir besuchten, natürlich schon speziell. Die häufigste erste Reaktion ist "Sweeties", wir verteilen aber grundsätzlich weder Süsses noch Geldmünzen. Dann kommen schüchternes oder stolzes Hände geben, aufforderndes "give me 5" (Abklatschen), Haut am Unterarm reiben (geht das Weiss wohl ab?), Tasche und Kleider berühren, meine Hand nicht mehr loslassen, sich an mich schmiegen, aufs Foto wollen sowieso alle, usw. - herzig. Einer hat sogar getestet, ob meine kleine Beule sich wohl auch wie weicher Busen anfühlt ... Die Jungs sind eher etwas frecher als die Mädchen, die sind mehrheitlich etwas zurückhaltender, dafür haben sie alle so kecke Zöpflifrisuren ... Will ich ein Foto machen, sind im Nu 2, 5, 10 Kinder im Pulk dort und dann kommen sie alle näher und näher, ich kann jeweils nur im ersten Moment abdrücken, nachher kann ich die Kamera nicht mehr fokussieren, da sie mir so auf die Pelle rücken. Das sind natürlich die kleinen, so 4 bis 8jährigen. Die grösseren fragen v.a. nach woher, Name, wohin. Sonst auf der Strasse gibt es einige Frauen und Mädchen, die sich nicht fotografieren lassen wollen. In ganz seltenen Fällen nur gegen Bezahlung, was dann ich ablehne. Wir hätten nicht gedacht, dass wir als Fussballignoranten noch um die EM in CH/Austria froh sein würden ... aber effektiv bildet Tschutten den Anlass für soviele erste Kontakte, Berührungspunkte und Gespräche. Ich würde sogar gerne eines der letzten Spiele im "Pub" mit TV zusammen mit den Gambiern schauen. Für 15 Dalassi oder 75 Rappen wäre man dabei. Aber dann müssten wir wieder die 30 Minuten in der Dunkelheit zurück laufen und noch per Dinghi zurück auf die Wahoo. Nicht, dass es gefährlich wäre, überhaupt nicht, nur sind wir doch praktisch immer um 9, halb 10 schon in der Koje.
 

25. Juni / Th

In den letzten Tagen haben wir hier die nähere Umgebung erkundet. Die Leute sind alle sehr nett und interessiert: Where are you from? How is it in Switzerland? ...
Die Kinder sind sehr anhänglich, schütteln einem die Hand und fragen nach Sweeties. Gestern haben wir eine Nursery School besucht, eine Art Kindergarten. Die Kinder dort sind zwischen 3 und 7 Jahren alt. Schule ist von 8-12, dann gibt es Mittagessen und danach werden die Kinder wieder von den Eltern abgeholt. Die Lehrer haben uns dann auch noch zum Mittagessen eingeladen. Auf dem Tisch steht eine grosse Platte mit Reis, viel Sosse, ein wenig Fleisch und Gemüse. Gegessen wird mit den Fingern (wir haben Löffel bekommen), direkt aus der Platte.
Julia und ich wollen von hier aus noch in die Casamance, auf dem Landweg. Morgen sollten Klaus' Bruder, ein erfahrener Automechaniker, und seine Frau mit den Ersatzteilen ankommen. Er wird dann hoffentlich den Motor wieder in Schuss bringen. Danach wollen wir noch ein Stück den Gambia hinauffahren.
Das Wetter ist gar nicht so regnerisch, wie man in der Regenzeit erwarten könnte. Meist ist es bewölkt, so dass die Sonne nicht so herunterbrennt. Nach dem letzten Regenguss vor ein paar Tagen hat sich die Zahl der Moskitos vervielfacht, aber in der Zwischenzeit hat sich die Lage wieder etwas beruhigt.
Wir essen viel Mangos, die wachsen hier überall und im nahen Dorf bekommt man 4 Stück für 50 Rappen. Auch Shrimps gibts hier in rauhen Mengen. Die fangen sie in der Flussmündung. Man kann in den Supermärkten fast alles kaufen, das meiste ist aber importiert (inkl. Kartoffeln, Milch, Butter, Eier, Chicken, ...). Viele Produkte kommen aus Belgien, Frankreich oder Holland. EU lässt grüssen.

 

19. Juni / Th

So, nun liegen wir in einer schönen Mangrovenlagune vor Anker, 200m von der Lamin Lodge entfernt. Diese Lodge gehört einem älteren Deutschen, der hier vor 26 Jahren gestrandet ist. Er ist sehr nett und hilfbereit und hilft uns, geeignete Leute zu finden, um unser Motorproblem zu lösen. Auch haben seine Leute uns mit einem kleinen Motorboot die 4 Meilen vom Hafen hier hin geschleppt. Hier sind wir nun auch sicher bei einem allfälligen Sturm.
Den Motor haben wir in der Zwischenzeit aus dem Motorraum ausgebaut und so weit zerlegt, dass wir sehen können, was alles kaputt ist. Der erste Verdacht, dass nämlich ein Nockenwellenlager angefressen hat, hat sich zum Glück nicht erhärtet; die Lager sind alle i.O. Wie es scheint, ist die Nockenwelle an Altersschwäche, bzw. an einem Materialfehler draufgegangen. Dann ist noch die Kette und das Kettenrad auf der Nockenwelle hinüber. Nachdem die verklemmte Kette draussen war, konnte man die Kurbelwelle auch wieder drehen.
Als nächstes müssen wir jetzt die passenden Ersatzteile besorgen und dann den Motor wieder zusammensetzen. Dazu sollten wir natürlich einen erfahrenen Fachmann haben (ich hab ja schon viele Maschinen zerlegt und einige davon auch wieder erfolgreich zusammengebaut ..., aber noch nie einen Mercedes Dieselmotor OM 616).

 

15. Juni / Th

Seit Freitag, dem 13. um 3 Uhr früh sind wir in Banjul, der Hauptstadt von Gambia. Aber das war gar nicht so einfach. Der Reihe nach:
Nachdem wir uns zwischen den Inseln in eine gute Ausgangsposition für die Fahrt nach Banjul gebracht hatten, fuhren wir mit einlaufendem Wasser die letzten paar Meilen zwischen den Inseln in den grossen Hauptkanal, welcher aus der Inselwelt von Guinea-Bissau herausführt. Dort am Ausgang ankerten wir nochmals, da wir für den grossen Kanal auslaufendes Wasser wollten, um die Strömung mit uns zu haben. Als wir dann losfuhren, hatten wir nur wenig Wind und erst noch aus der falschen Richtung. Gemäss Prognose sollte der Wind dann aber zuerst aus SW und dann aus W kommen. So fuhren wir mit Motor mit der Strömung, aber gegen den Wind und kamen so trotzdem gut voran. Als dann aber die Tide wechselte, hatten wir Wind und Strom gegen uns und kamen nur noch langsam voran. So beschlossen wir, da es in dieser Gegend überall sehr flach ist, den Anker zu werfen und auf bessere Zeiten zu warten. Am Morgen hatten wir dann wieder mitlaufenden Strom und fuhren weiter. Auch gabs ein wenig Wind, so dass wir die Segel zu Hilfe nehmen konnten. Zum Segeln ohne Motor reichte es aber nicht. Am zweiten Tag dann plötzlich stellte der Motor ab! War etwa der Tank schon leer? Klaus überprüfte das und am Sprit konnte es nicht liegen. Wir versuchten den Motor wieder zu starten, aber der Anlasser konnte den Motor gar nicht drehen. Irgendwas musste da kaputt gegangen sein. So mussten wir halt doch segeln, und da der Wind aus NW kam, mussten wir aufkreuzen. In der Nacht warfen wir wieder den Anker, irgendwo südlich der Mündung der Casamance. Am andern Morgen segelten wir dann weiter, der Wind hatte ein wenig zu unseren Gunsten gedreht, aber wir kamen trotzdem nur sehr langsam gegen Norden voran. Kaum war die Sonne untergegangen, brach dann der Wind ganz zusammen und wir ankerten wieder. In der Zwischenzeit hatten wir auch den Motor ein wenig unter die Lupe genommen und herausgefunden, dass die Nockenwelle gebrochen war. Auch die Steuerkette war gerissen und blockiert jetzt wahrscheinlich irgendwo tief unten im Motor die Kurbelwelle.
Am nächsten Morgen dann immer noch Flaute, dafür leichter Nieselregen. Genau, was man sich in einer solchen Situation wünscht. Bis Banjul waren es noch gut 60 Meilen. Gemäss Wetterbericht sollte SW aufkommen, aber wir hatten totale Flaute. Dafür kamen immer wieder kleine Fischerboote vorbei, mit jeweils 15 bis 20 Leuten darauf. Wir haben keine Ahnung, was die dort draussen gemacht haben.
Nach dem Mittag kam endlich wirklich ein wenig Wind aus SW und auch der Strom setzte gegen Norden. So setzten wir die Segel wieder und nahmen langsam wieder Fahrt auf, und zwar genau dorthin, wohin wir wollten. Nur 2.5 bis 3 Knoten, aber immerhin. Der Wind nahm stetig zu und bald schon liefen wir mit 4, dann mit 5, 6 und sogar bis 7 Knoten, ziemlich genau nach Norden. Und der Wind blieb uns erhalten, er schwankte zwar ein wenig, aber um 19 Uhr waren wir am Punkt, wo wir Kurs in die Mündung des Gambia setzen konnten. Noch 25 Meilen bis in den Hafen. Zuerst nach ENE, dann nach E, dann nach SSE, dann nach S und am Schluss noch nach SW. In der Zwischenzeit war es Nacht geworden, aber die dunklen Gewitterwolken schienen sich zu verziehen. So beschlossen wir weiterzusegeln, so lange der Wind blies. Der ging zwar immer mehr zurück, aber er hielt durch. Mir war das Ganze nicht so geheuer, bei Nacht in einen unbekannten Hafen in einer unbekannten Flussmündung, mit Strömungen und ohne Motor. Aber Klaus sagte, gehen wir mal schauen.
Gegen Mitternacht konnten wir dann in den Hauptkanal einschwenken, Kurs 155, mit Wind von 70°. Wir wurden wieder etwas schneller, auch setzte die einlaufende Tide ein, so dass wir Mitstrom hatten. Zurvor hatten wir noch eine Untiefe überquert, noch 1.8 Meter Wasser unter dem Kiel, aber genau wie auf der Karte eingezeichnet. Auch die grüne Tonne war dort, wo sie gemäss Karte sein sollte, und blinkte fröhlich vor sich hin. Wir waren noch gut 4 Meilen vom geplanten Ankerplatz entfernt und konnten jetzt schon die Lichter des Hafens sehen. Nur das Leuchtfeuer entdeckten wir nicht. Dafür einen hell erleuchteten Frachter, so wie es aussah, direkt auf unserem Kurs, aber vor Anker. Wir kamen immer näher an den Hafen, der Wind war nur noch sehr schwach, man konnte das Schiff gerade noch steuern. Das Wasser war viel weniger tief als auf der Karte eingezeichnet und ich wurde langsam nervös, sah uns schon in die Hafenmauer oder sonst wohin auf Grund laufen. Zum Glück hatte der Wind so gedreht, dass wir noch weiter abfallen konnten, denn das letzte Stück war Richtung Süden. Am Hauptquai lag ein grosser Frachter, den wir problemlos passierten. Da wir mit dem Wind segeln mussten, lag unser Kurs so nahe wie möglich an der Hafenmauer und nicht weiter draussen in sichererem Abstand. Ich schaute immer wieder auf den PC, wo das Schiff dank GPS immer genau auf der Karte zu sehen war, aber die Karte ist halt auch nicht absolut genau. Unser Wegpunkt gemäss GPS ist ziemlich am Land gelegen, aber unsern Skipper hat das nicht gross gekümmert: Im Grossen nach GPS, im Kleinen nach den Augen (es war ziemlich finster). Na ja, Klaus hat wohl wirklich Nerven aus Chromstahl. Dann nochmals um 20° abfallen, Segel ganz dicht, dort vorne muss es sein, ein anderes Segelboot liegt schon da. Jetzt sind wir an der letzten Hafenmauer vorbei, Klaus nutzt das bisschen Schwung, das wir noch haben, stellt das Schiff in den Wind und sobald wir stehen, werfe ich den Anker. Wir haben es geschafft!
Dann noch Segel runterlassen und einpacken. Als alles erledigt ist, öffen wir noch eine Flasche Roten und essen dazu ein paar Oliven. Um 4 Uhr sind wir in den Federn.
Am andern Morgen sind wir ziemlich nahe am andern Segelschiff. Hans, der Schwede begrüsst uns und gibt uns erste einschlägige Tipps. Nach dem Frühstück wassern wir das Schlauchboot und fahren an Land. Nach gut einem Monat das erste Mal wieder festen Boden unter den Füssen. Wir werden sogleich von ein paar Einheimischen in Empfang genommen, der eine übernimmt die Verantwortung für die Sicherheit unseres Dinghis, ein zweiter bietet sich als unser Guide an. Er hilft uns, die offiziellen Stellen zu finden, wir sind mal wieder an einem Freitag in einem muslimischen Land angekommen, alles schliesst dann früher. Zuerst Hafenmeister, der schickt uns zuerst zu Immigration und Zoll, Immigration will Geld für die Visa, Zoll will Kopien unserer Dokumente. Also zuerst in die Stadt, Geld rauslassen, der einzige Bankomat ist gerade ausser Betrieb, also Cash wechseln, Kopien machen, wieder Zoll, der ist zufrieden, dann Immigration, der geniesst es, mit uns zu plaudern und das Prozedere in die Länge zu ziehen. Er will noch das Schiff inspizieren, kann aber nicht schwimmen und verschiebt es darum auf morgen. Am Schluss haben wir unseren Stempel im Pass, nur der Hafenmeister war schon nach Hause gegangen. Aber am Montag ist auch noch ein Tag. Zum Abendessen hatten wir Hans, den Schweden eingeladen und wir haben uns gut unterhalten und viele Infos bekommen.
Gestern haben wir dann mal die Stadt ein wenig erkundet, erste Einkäufe gemacht und endlich wieder frisches Gemüse und frische Früchte gekauft. Zum Abendessen gabs dann auch mal wieder Fleisch, dazu viel Gemüse und einen gemischten Salat. Mmh.
 

15. Juni / Ju

Das Gute vorneweg; wir haben es doch noch, und schneller als befürchtet, an unser Ziel geschafft. Dank der Souveränität von Kapitän Klaus und den navigatorischen Fähigkeiten von Lotse Thomas. Ich durfte ein paar Stunden schlafen gehen. Ich mache das jeweils auch, denn es hat gar keinen Wert, wenn ich auch noch an Deck rumhänge und womöglich Kommentare abgebe oder Fragen aufwerfe. Da reichen zwei Meinungen völlig aus. Ansonsten habe ich langsam, aber sicher die Hucke voll. Die andauernden Pannen, Ausfälle und Reparaturen brauchen extrem Energie und unterminieren meine Motivation. Offenbar finden es alle richtigen Segler durchaus normal, dass immer etwas am kaputt gehen ist, aber für mein Empfinden ist es nicht normal, sondern höchst mühsam und ermüdend. Der Motor war in kompletter Revision in Südafrika, und wir dachten in wirklich kompetenten Händen, und nun ist er wieder komplett ausser Betrieb. Vielleicht ist auch alles auf der Wahoo zwar sehr gut gewartet, inzwischen aber zu alt und verbraucht. Wer hier in Banjul die abschliessende und richtige Fehlerdiagnose stellen UND die Behandlung, sprich Reparatur, so machen kann, dass es zumindest bis Portugal wieder funktioniert, ist eine ganz andere Frage. Wer, wo, wann, woher Ersatzteile, zu welchen Kosten, all diese Fragen brauchen wieder soviel Zeit und Energie. Statt dass wir die Casamence erkunden oder den Gambia River hinauffahren, schlagen wir uns mit diesen Problemen herum. Und nicht auszudenken, in welchem Zustand und wo wir nun wären, hätte Thomas mit Klaus' Hilfe und einigermassen Material das beschädigte hintere Segel nicht reparieren können. Die schlussendlich "nur" 16 Stunden Flaute, während der wir einfach festsassen und alle Fischerboote an uns vorbei winkten, waren nervtötender und schlimmer als die beiden Tornados. In einem Sturm kommt man kaum zum verschnaufen und nachdenken. Ganz anders in einer Flaute. Man wartet einfach, muss warten - bewegungslos. Wie lange wohl? Ein paar Stunden? Tage? Kein Wind bedeutet: man muss sich ohnmächtig von den Wellen umherwerfen lassen, es ist ohne zumindest Fahrtwind drückend heiss, ohne Segel hat es gar keinen Schatten, weder Windgenerator noch Wellengenerator könnten Energie liefern, also haben wir kaum genügend Strom für die Bordelektronik. Wenn die auch noch ausfallen würde, hätten wir weder Echolot, noch Windmesser, noch GPS zur Verfügung, und das wäre in diesen untiefen Gewässern nicht empfehlenswert! So sind sie im Übrigen zu Kolumbus' Zeiten gesegelt, monatelang in Flauten rumgedümpelt, fast verhungert und langsam alle durchgedreht ... Wir hätten zwar einige gute DVD's an Bord, aber keine Energie um welche zu schauen - und büchermässig laufe ich mittlerweile auch auf dem letzten Zacken. Also, der geneigte Leser merkt, meine Stimmung war auf dem absoluten Tiefpunkt. Mittlerweile ist sie wieder ein bisschen besser, aber Westafrika ist halt wieder "real Africa", das bedeutet sehr arm. Das bedeutet staubig, kompliziert, rudimentär, schmutzig, hektisch, lange Wege zu Fuss, mühsam, kraftraubend, stinkig, organisatorisch (Behörden, Geldbeschaffung, Markt, Wäscherei, Wasser, Diesel etc.) eine Herausforderung. Das Anlegen mit dem Dinghi ist hier auch wieder eine schwierige und oft nasse Angelegenheit. Mit Namibia und Südafrika waren wir verwöhnt worden, hier ist es wieder wie in Madagaskar, Jemen oder Eritrea. Wenn nur die Leute nicht so freundlich, ja herzlich wären. Hilfsbereitschaft, Spontaneität, Zeit für uns, immer einen freundlichen Gruss auf den Lippen und dann die interessierte Frage nach dem woher, wohin, wie gefällt dir Gambia - all dies ist dafür kein Fremdwort hier. Natürlich wird bei allem erst einmal der doppelte Preis "geheuscht", aber das würden wir in ihrer Lage genau so versuchen und wir kennen ja das Spielchen mittlerweilen einigermassen.
 

7. Juni / Th

Hier zwischen den Inseln muss man sich nach den Gezeiten richten. Von oben sieht es aus, als ob zwischen den Inseln nur Wasser ist. Aber in Realität ist das meiste Gebiet untief, das heisst, grosse Flächen fallen bei Ebbe trocken. Dazwischen hat es dann eigentliche Kanäle, die oft 15m und mehr tief sind. Da der Unterschied zwischen Ebbe und Flut bis zu 5m beträgt, führt das zu ziemlichen Strömungen. Mal in die eine Richtung, sechs Stunden später dann wieder in die andere. Wir schätzen, dass wir jeweils bis 2 Knoten Strom haben. Und den versuchen wir natürlich wenn immer möglich zu nutzen. Das Wasser ist sehr trüb hier, man sieht nicht einmal, wenn es nur noch einen Meter tief ist. So müssen wir uns ganz auf das Echolot verlassen. Falls man irgendwo 'aufhockt' sollte der Wasserpegel so schnell wie möglich steigen. Darum fahren wir nur bei einlaufendem Wasser und haben dann auch die Strömung mit uns.
Gestern sind wir etwa 8 Meilen von unserem ersten Ankerplatz weitergefahren, bis in die Nähe der nördlichen Ausfahrt des Kanals zwischen den Inseln. Als dann Ebbe war, hatten wir den Eindruck, dass es da nirgends weiter geht. Wir haben uns entschlossen, heute morgen, etwa zwei Stunden nach Ebbe weiterzufahren. In der Nacht hatten wir wieder ein heftiges, aber kurzes Gewitter. Zum Glück hatten wir das Sonnendach vorsorglich abgebaut. Heute morgen war es dann immer noch bewölkt und regnerisch und wir wussten nicht richtig, ob wir trotzdem los sollten. Etwa um 8 Uhr hörten wir Stimmen und ein kleines Fischerboot mit 4 Fischern kam längsseits. Das erste Mal, dass Leute in unsere Nähe kamen, obwohl wir immer wieder welche gesehen hatten. Sie sprachen portugiesisch, einer konnte aber ein wenig französisch und ein zweiter ein bisschen englisch. Wir tauschten einen Sack Reis gegen 6 Fische. Danach entschlossen wir uns, doch den Anker zu lichten und weiterzufahren. Anfangs war es kein Problem, wir fanden den Kanal und er war erstaunlich tief. Nach etwa 3 Meilen wurde es immer flacher und wir liefen das erste Mal auf. Das ist weiter kein Problem, da der Boden sandig ist. Wir kamen auch wieder frei, aber irgendwie wurde es in keiner Richtung wieder tiefer. Wir kamen frei, hockten wieder fest, ...
Also liessen wir das Dinghi ins Wasser und Julia und ich suchten die Umgebung mit einer Stange ab. Wir wurden ziemlich nass dabei und doch fanden wir dann schlussendlich einen Weg aus den Untiefen heraus und wir hatten wieder ein paar Meter Wasser unter dem Kiel. Da wir viel Zeit verloren hatten, konnten wir unser ursprüngliches Ziel für heute nicht erreichen und so liegen wir jetzt an einer andern Stelle zwischen ein paar Inseln vor Anker. Bis zur nächsten Insel ist etwa eine Meile, aber wenn Ebbe ist, kann man wahrscheinlich beinahe zu Fuss gehen.
Eben fährt ein kleines Boot an uns vorbei, darauf etwa 30 Personen, auch Frauen und Kinder und ein Moped. Wahrscheinlich eine Fähre zwischen den Inseln.

 

4. Juni / Ju

Wir sind endlich vor Anker, nach langen, monotonen 24 Tagen. Von den im Führer erwähnten Hippos, Salzwasserkrokodilen und evtl. kleinen Haien haben wir noch nichts gesehen. Das Wasser ist allerdings auch sehr trüb (immer mit Mangroven), voller Schwebepartikel und mit den grossen Gezeiten auch voller Sandwolken. Sicht also gleich Null, so etwa wie der Rhein bei Schmelzwasser. An Land sind wir noch nicht gegangen, gleich gegenüber hat es aber Menschen. Man feldstechert zwei Strohhütten, die Fischerboote, ein Licht und hört auch einen Hahn krähen. Thomas hat auch eine Gruppe Kinder erspäht, also ist es wirklich ein Dorf und nicht nur ein Aussenstützpunkt für die lokalen Fischer. Im Gegensatz zu Madagaskar wurden wir auch noch nicht besucht: entweder sind die Fischer hier sehr scheu und wirklich Jachten nicht gewohnt, oder sie haben nix zu verkaufen. Wir hätten allerdings auch kein Geld in ihrer Währung, ein paar ganz wenige kleine Dollarnoten und sonst müssten wir mit den Sackmesserli und Reis und Öl einen Tauschhandel versuchen. Frischwaren wären natürlich willkommen, obwohl wir also nicht klagen können. Die letzten Tomaten und Kabissalat haben wir nach drei Wochen aufgegessen, einen Apfel, einen Butterkürbis, vier Kartoffeln, Zwiebeln und Knobli haben wir noch. Phantasiert haben wir unterwegs zwar schon, Thomas' Standardspruch nach einem Essen war "und jetzt noch ein Stück Schwarzwälder...", obwohl es dafür viel zu heiss war. Ich schwelgte eher in Gedanken an einen Eiskaffee.
Hier versuchen wir nun, uns ein wenig zu erholen. D.h. die wesentlichsten Unterschiede sind, dass das Boot nur leicht statt stark schaukelt, es lärmt nicht und wir könnten theoretisch durchschlafen (die Männer können das natürlich auch, z.T. begleitet von intensiveren Geräuschen ...) Daneben sind wir aber sehr aktiv: Betten und klamme Klamotten sonnen, bzw. durch frische ersetzen, Handwäsche machen, Putzarbeiten (Kühlschrank, WC, Küche), Vorratsdosen auffüllen, OPTIMIEREN und REPARIEREN. Thomas und Klaus sind am Bohren, Feilen, Sägen, Hämmern, Klopfen, Kleben und Dichten - und Improvisieren. Sie versuchen, die abgebrochene Gaffel zu flicken. Den wichtigeren Teil hatten sie noch unterwegs mit einer Chromstahlschiene soweit hergerichtet, dass wir das hintere Segel auch wieder aufziehen konnten, allerdings hatte es dann kaum mehr Wind. Die ganze Überfahrt war also schon nicht grad der Hit. Waren wir bis zum Äquator sehr schnell unterwegs, aber auch sehr rollig, so war das letzte Drittel nur noch Sch... Magnetische Missweisungen im Kompass, Ausfall vom GPS, Energieprobleme (zu wenig Sonne für die Kollektoren und zu wenig Speed für den Wellengenerator) und damit so grosse Entladung der Batterien, dass der Motor nicht mehr gestartet werden konnte - und alles hat Thomas wieder zum Laufen gebracht. Ohne seine Fähigkeiten und Kenntnisse ..., na Prost. Und dann eben noch die zwei aufeinander folgenden Gewitternächte, eigentlich Tornados wegen der starken Windböen. Ich hatte noch Schwein, beide Male begann es während Thomas' oder Klaus' Wache, d.h. ich war unten in der Koje mit Ohropax. Wetterleuchten, der Rumpf stemmt sich gegen Wind und Wellen, Ächzen und Gieren, alles fliegt herum, wir krängen, dass ich schon glaube, wir kippten auf eine Seite, dann auf die andere, "hochkommen, Segel müssen runter!", Ölzeug, Regen und Nacht, alle 4 Sekunden taghelle Blitze ringsum, der Steuermann versucht das Schiff in den Wellen zu halten, Thomas versucht das Segel runterzulassen, natürlich klemmt es, ein Gewirr in den Seilen, ich versuche das Segel zu fassen und runterzuziehen, bei allem klammert man sich noch irgendwo fest, es schaukelt, es bläst, es donnert, es schreit Kommandos und Fragen, die niemand im Chaos versteht, na ja. Keine Zeit für Angst, das war eher unter Deck im Sinn von "hoffentlich geht keiner über Bord, das wäre das Ende". Der erste Sturm war kurz, aber heftig. Es kam so schnell, dass die Segel weder gerefft noch geborgen werden konnten. Wir hatten eine Spitzenböe von 56 Knoten = gut 100km/h. Nach vielleicht einer halben Stunde war der Wind so weit schwächer, dass wir die Segel bergen und provisorisch zusammenbinden konnten. Beidrehen, Ruder festbinden, in die Kojen und Tageslicht abwarten, aussitzen. Nächste Nacht ähnlich, 44 Knoten Wind, da bricht die Gaffel, ein Alurohr von 40mm Durchmesser, entzwei. Das Segel flattert und knattert wie wild. Sofort bergen, aber es klemmt, das Balanceseil ist irgendwo fest verhakt. Dann halt zuerst das vordere Segel runter, das viele schwere Tuch irgendwie im Wind fangen und ins dafür vorgesehene Netz hieven, festbinden, nochmals ans hintere, irgendwie geht es dann, Segel und Seile überall, wir stemmen uns mit Armen und Beinen ab, wo es nur geht. Wir schaffen auch das. Es ist schon 5 Uhr früh, aber wir versuchen noch zu schlafen oder mindestens zu ruhen. Am Morgen dann Schadensbegutachtung: die Gaffel, ein paar Seile und ein Riss im Grosssegel, das sind die grössten Schäden, die die Wahoo in den 19 Jahren bisher zu verzeichnen hatte. Das hintere Segel kann so nicht mehr gebraucht werden. Tagsüber gilt es, die Bodenlumpen und das Regenzeug in Wind und wenig Sonne zu trocknen. Brauchen wir es für die dritte Nacht wieder?! Nein, brauchten wir nicht. Aber die abendlichen schwarzen Wolkentürme hatten mich schon beunruhigt und jedes Rucken im Schiffsrumpf machte mich wachsam. Hoffentlich war es jetzt das wirklich bis zum Ende unserer Reise. Was war noch das Motto? - Abenteuer? - Eben.
Alles war natürlich auch nicht negativ. So sind wir alle ausser mal einer Hautabschürfung unverletzt und gesund. Wir haben ein paar Mal auch Delfine gesehen. Mindestens 1000 nm von jeglichem Land entfernt (wann und wie schlafen die eigentlich?). Ein Mal einen grossen Schwertfisch aus dem Wasser springen. Ich konnte es von Auge grad noch erkennen und Thomas war am Feldstecher. Statt frieren ist wieder schwitzen angesagt. Schon in der zweiten Nacht ab Walvis Bay konnte ich meine 7 Schichten am Oberkörper um jeweils ein Teil reduzieren, die Faserpelze, Socken und Handschuhe sind wieder verstaut. Desgleichen Schlafsäcke und Wolldecken. Wir haben praktisch jedes Mal, wenn wir den Fischköder einwarfen auch etwas zum Znacht gefangen. Wir wurden sogar so wählerisch, dass wir zweimal auf den gemeinen Bonito verzichteten und ihn noch lebend wieder zurückwarfen. Jedes Mal, wenn ich eh Brot backen musste, gab es zum Znacht eine sehr feine Pizza (ohne Wein). Dafür köpften wir nach Ankersetzung am Montagabend, 2. Juni, im letzten Licht die letzte Flasche Champagner noch aus Montenegro. Da sich der dazu gereichte Apéro dann zum Fingersnack-Abendessen entwickelte, wurde auch noch eine Flasche Rotwein hinterher geschickt. Wirklich lustig war auch der Funkkontakt zu einem spanischen Frachter mitten im irgendwo. Es ist sehr selten, dass wir bei Sichtung eines Cargo den Funk einschalten, da die i.d.R. so Zwerge und nur potentielle Hindernisse ignorieren. Da aber machten wir es und prompt rief er uns an. Beglückwünschte uns zum Schiff, wir segelten grad in Vollmontur mit einem dritten Leesegel am Bug. Fragte, woher, wohin, ob wir etwas bräuchten (Notfall, Spitaltransport). Als wir antworteten, wir hätten gerne ein Pizza, lachte er und konterte, sie hätten fast keinen Rioja mehr. Worauf Klaus natürlich Cabernet von uns anbot.
Ob wir wohl heute abend noch einen zweiten Anker brauchen? Der nachmittägliche Wind ist jetzt sehr heftig, Strömung von Flut und Wind prallen gegeneinander und produzieren Schaumkronen und ringsum bilden sich Wolkentürme und schwarze Wände. Das sieht bös nach Regen aus. Wir müssen sofort das Sonnensegel einrollen, es zerrt zu stark an Tuch und Schnüren! - 15 Minuten später: schon alles vorbei! Der Himmel ist nur noch grau, die Wolkentürme sind nach Westen durchgebraust, nach nur einzelnen Regentropfen brechen auch schon wieder Sonnenstrahlen durch. Es reichte für Hektik; alles runter (Computer, Stühle, Wäsche von der Leine, sonstige lose Sachen und Werkzeug einsammeln) und dicht machen. So geht das.

 

3. Juni / Th

Gestern abend, kurz vor Sonnenuntergang, sind wir endlich angekommen auf einer Insel des Bijagos Archipel (Google Earth), vor Guinea-Bissau. Wir hatten die letzten 48 Stunden schlechten Wind, mal gar keinen, dann wieder auf die Nase - einfach nicht so spassig. Und dann war der Eingang in den Kanal zwischen den Inseln leider nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Eine lange Sandbank versperrte den Eingang, wir sahen immer nur die Brecher, die uns den Weg versperrten. Also mussten wir meilenweit um die Sandbank herumfahren, natürlich hatte es dann wieder Wind, 22 Knoten direkt auf die Nase. Als wir dann endlich im Kanal drinn waren, kam dann der Wind von hinten und wir hatten auch noch die Strömung der Tide mit uns. So liefen wir unter Motor über 7 Knoten. Hier ist der Unterschied zwischen Ebbe und Flut 5 Meter.
In einer Bucht haben wir den Anker geworfen und erst mal eine Flasche montenegrinischen Sekts geköpft. Den Apero haben wir dann zu einem 'leichten Dinner' erweitert und danach konnten alle in die Federn und niemand musste auf die Wache.
Und hier liegen wir nun, ringsum Mangroven und auch Palmen, ein kleines Fischerdorf und viele Vögel. Wir werden hier ein paar Tage ausruhen und das Schiff wieder auf Vordermann bringen. Bis Banjul in Gambia sind es dann noch 150 Meilen - ein Klacks.

 

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